APA-OTS: Wissenschaftsfeinde im Aufwind

Die Bundesregierung hat sich auf ein Medienpaket geeinigt. Dieses sieht verschärfte Transparenzbestimmungen bei der Inseratenvergabe öffentlicher Stellen und eine neue Medienförderung vor. Ein Ministerratsvortrag wurde am 4. Oktober 2022 Mittwoch im Ministerrat eingebracht.

Der Entwurf sieht derzeit allerdings Wissenschaftsjournalismus derzeit noch nicht als Förderkriterium. Untenstehend die Aussendung der Klubvorsitzenden, die am 5. Oktober per APA-OTS versandt wurde.

Wien, 5. Oktober 2022

Wissenschaftsfeinde im Aufwind

Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen gratuliert Nobvelpreisträger Anton Zeilinger und nimmt Stellung zur Medienförderung: Novelle trägt dem Abbau von Wissenschaftsfeindlichkeit nicht Rechnung

„Ich sehe Wissenschaftsskepsis als Problem, aber das liegt auch daran, dass der Wissenschaftsjournalismus reduziert wurde. Es gibt viel weniger Wissenschaftsjournalisten und das ist nicht gut.“, sagte Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger anlässlich seiner Ehrung am 4. Oktober 2022 im Interview mit der „Zeit im Bild 2“. Der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen gratuliert dem Preisträger und „Wissenschafter des Jahres“ 1996 zur seiner herausragenden Leistung, von der auch der Forschungsstandort Österreich profitiert.

Die heute im Ministerrat vorgestellte Novelle der Medienförderung trägt allerdings dem Forschungsstandort und dem Abbau von Wissenschaftsfeindlichkeit nicht Rechnung. Anders als vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen seit Jahren vorgeschlagen, ist Wissenschaftsjournalismus darin kein Förderkriterium. Vielmehr verzichtet die Bundesregierung sogar gänzlich darauf, Wissenschaft als Kriterium der „Allgemeinen Förderbedingungen“ anzuführen. Hingegen werden Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Feuilleton sowie Sport explizit genannt. Damit setzen Bundeskanzler Karl Nehammer und die für Medien zuständige Ministerin im Bundeskanzleramt, Susanne Raab, ein höchst problematisches Zeichen, das die Wissenschaftsfeindlichkeit in Österreich weiter befeuert. Darüber kann die aktuelle und große Freude über den Nobelpreis für Anton Zeilinger nicht hinwegtäuschen.

Die bedenklich hohe Zahl an LeugnerInnen von Corona und Klimawandel in Österreich erhält durch die vorgesehene Unterlassung von Wissenschaft als Förderkriterium zusätzlichen Aufwind, weil diese Gruppe den Akt der Bundesregierung als Bestätigung ihrer forschungsfeindlichen Haltung interpretieren kann. Bereits jetzt liegt Österreich in der regelmäßig erhobenen Eurobarometerumfrage zu Wissenschaft und Forschung der EU-Kommission auf dem beschämenden vorletzten Platz.

Die Funktion des Wissenschaftsjournalismus und ihre Wirkungsweise im Sinne einer informierten Öffentlichkeit ist evident und durch eine Reihe von Studien bewiesen[1]. Eine Substitution durch Einzel- oder Projektförderungen durch das BMBWF sei unsinnig, so Klubvorsitzende Eva Stanzl: „Schließlich wird ja auch nicht Wirtschaftsjournalismus vom Wirtschaftsministerium oder Sportberichterstattung vom Sportministerium finanziert. Exzellente Wissenschaft braucht soliden Wissenschaftsjournalismus, der Sinn von Unsinn unterscheiden und die zum Teil hoch komplexen Erkenntnisse der Forscher:innen in gut verständliche Informationen für die allgemeine Öffentlichkeit übersetzen kann.“ Außerhalb Österreichs habe man diese eminente Funktion des Wissenschaftsjournalismus im Sinne der Stärkung demokratischer Strukturen und Diskurse längst erkannt und entsprechend gewürdigt. So hat die deutsche Bundesregierung die Förderung des Wissenschaftsjournalismus explizit in ihr Regierungsprogramm aufgenommen.

Die Unterlassung der Anführung von Wissenschaft als Qualitätskriterium in der Medienförderung ist letztlich auch ein Affront gegenüber allen führenden Wissenschaftsorganisationen des Landes wie uniko, ÖAW und FWF, die die Initiative des Klubs unterstützt hatten. Klubvorsitzende Eva Stanzl: „Gern schmückt sich die Bundesregierung mit der Wissenschaft. Etwa, wenn Bundeskanzler Nehammer meint, die Wissenschaft leiste ‚Unglaubliches‘[2]. Oder Frauenministerin Raab festhält: ‚Ich möchte mehr Mädchen und junge Frauen für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik begeistern.‘[3] Doch diese Äußerungen erweisen sich als Lippenbekenntnisse.

In diesem Sinn fordert der Klub die Bundesregierung auf, Wissenschaft zumindest als Kriterium der Allgemeinen Förderbedingungen anzuführen.

Für den Vorstand

Eva Stanzl

Klubvorsitzende

[1] Zum Beispiel: „Magnetnadeln im Heuhaufen“ Wien (2013): http://www.wissenschaftsjournalisten.at/wp-content/uploads/2013/06/130625_WissKlubStudiePrint.pdf

[2] „All diese Entwicklungen passierten mit enormer Geschwindigkeit, weil die Wissenschaft Unglaubliches leistet.“ https://www.profil.at/oesterreich/bundeskanzler-im-interview-ausgerechnet-der-nehammer/401754864 

[3] https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/nachrichten-der-bundesregierung/2022/04/raab-neue-offensive-zur-staerkung-von-maedchen-und-frauen-in-der-digitalen-welt.html

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